Betriebsübergang - Verwirkung - Neuer 7-Jahreszeitraum
Ein Kurzbeitrag von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Rudolf Hahn, Erfurt
Eine jüngste Entscheidung des 8. Senates (seit 01.09.2015 unter Vorsitz von Frau Prof. Dr. Schleswing) des Bundesarbeitsgerichtes hat abermals gezeigt, dass sich die Rechtsprechung zur vorherigen Senatsbesetzung geändert hat. Dies gerade im Hinblick auf die Verwirkung beim erklärten Widerspruch des Arbeitnehmers zum Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Betriebserwerber.
Dem Sachverhalt lag eine Ausgliederung einer Betriebseinheit Kundenservice der Deutschen Telekom AG zur VCS GmbH (Vivento Customer Services GmbH) vom 01.09.2007 zugrunde, also ein Teilbetriebsübergang im rechtlichen Sinne. Am 26. Mai 2011 hatte das Bundesarbeitsgericht (Az.: 8 AZR 18/10) entschieden, dass keine ordnungsgemäße Unterrichtung zum Betriebsübergang erfolgt war. Mit der Konsequenz, dass die im Gesetz vorgesehene 1-Monatsfrist nach Zugang der Unterrichtung für die Erklärung des Widerspruchs nicht zu laufen begonnen hatte.
Bei ordnungsgemäßer Unterrichtung muss der Arbeitnehmer innerhalb eines Monates widersprechen, ansonsten geht das Arbeitsverhältnis auf den neuen Betriebserwerber über. Einer Begründung des Widerspruchs bedarf es nicht.
Vorliegend hatte der vom Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer erst später über einen Kollegen von der damaligen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes im 05/2011 erfahren und erklärte den Widerspruch des Überganges des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber im Juli 2014.
Es stellte sich nun die Frage, ob er sein Widerspruchsrecht verwirkt hatte.
Der Arbeitnehmer muss dafür seine Rechte längere Zeit nicht geltend machen (sogenanntes Zeitmoment). Außerdem muss er unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erwecken, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Arbeitgeber sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (sogenanntes Umstandsmoment). Das Erfordernis des Vertrauensschutzes muss auf Seiten des Arbeitgebers das Interesse des Arbeitnehmers derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (ständige Rechtsprechung, zuletzt BAG vom 24.08.2017, Az.: 8 AZR 265/16, Rdnr. 18).
Der Arbeitnehmer hatte beim Betriebserwerber nur weiter gearbeitet. Einen neuen Arbeitsvertrag oder sonstige Vereinbarungen unterschrieb er nicht. Aufgrund der tariflichen Bestimmungen änderten sich das Gehalt und die wöchentliche Arbeitszeit. Um in den einzelnen Projekten des neuen Arbeitgebers weiterarbeiten zu können, musste er verschiedene Schulungen absolvieren. Andere Dispositionen über den Bestand des Arbeitsverhältnisses machte er nicht, er arbeitete nur weiter.
Das Bundesarbeitsgericht beantwortet die Frage dahingehend, dass der Arbeitnehmer über einen Zeitraum von mindestens 7 Jahren, der frühestens mit dem Betriebsübergang beginnt, für den neuen Inhaber tätig gewesen sein muss. "In einem solchen Fall ist das Widerspruchsrecht regelmäßig verwirkt" (BAG, a.a.O., Rdnr. 24).
Vorliegend hatte der Arbeitnehmer Glück, da er noch keine 7 Jahre für den neuen Inhaber arbeitete als er den Widerspruch erklärt hatte, sodass er obsiegte und das Arbeitsverhältnis zu den alten Konditionen bei der Deutschen Telekom AG fortbestand.
Anmerkung:
Dieser 7-Jahres-Zeitraum steht nicht im Gesetz. Er wurde vom 8. Senat hergeleitet und neu geschaffen (ich empfehle, die Einzelheiten in der Entscheidung vom 24.08.2017, Az.: 8 AZR 265/16 nachzulesen). Es dürfte auf der Hand liegen, dass nur die allerwenigsten Arbeitnehmer diese neue Frist künftig kennen werden. Auch vermute ich, dass selbst die Arbeitsrechtler, geschweige denn die Rechtsanwälte diese Rechtsprechung bei künftigen Betriebsübergangsfällen parat haben. Ich bezweifle, dass es einer solchen zeitlichen Grenzziehung bedurft hätte. Argument hierfür ist die dadurch gewonnene Rechtssicherheit, allerdings zu Lasten des Arbeitnehmers, wenn dieser aus Zufall einige Zeit nach Ablauf des 7-Jahres-Zeitraumes widersprochen hat. Insofern hilft es auch wenig, wenn das BAG von regelmäßig 7 Jahren spricht. Es stellt sich die Frage, wann ein Ausnahmefall vorliegen soll. Hierzu finden sich keine Ausführungen in der zitierten Entscheidung.