Kollege Johannes Hamm berichtet als Prozessbeobachter:
Verhandelt wurde die Kündigungsschutzklage eines Kollegen, der trotz besonderem Kündigungsschutz (Unkündbarkeit) entlassen worden ist, weil er ein Arbeitsplatzangebot bei VTS abgelehnt hatte. Die Telekom war durch 5 (!) Sitzungsteilnehmer vertreten.
Änderungsvertrag fehlt
Schon in seiner Eröffnung äußerte der Richter erhebliche Zweifel, ob ein Arbeitnehmer, der vor Inkrafttreten des TV-Ratio-neu zu Vivento "versetzt" wurde, überhaupt nach den Regeln des TV-Ratio-neu behandelt werden kann, denn TV-Ratio-neu sieht ausdrücklich eine Änderungskündigung vor.
Keine "Verwirkung"
Es könne dem Kollegen auch kein Vorwurf gemacht werden, wenn er sich seinerzeit nicht gegen die Versetzung gerichtlich gewehrt habe. Im Unterschied zu den heute nach TV-Ratio-neu versetzten Kollegen hatten die nach den alten Regeln "versetzten" Kollegen nicht die Möglichkeit ihre Versetzung richterlich überprüfen zu lassen, wie dies möglich ist, wenn heute eine Änderungskündigung ausgesprochen wird, denn gegen jede Änderungskündigung kann Kündigungsschutzklage eingereicht werden.
Von daher sah er eine Umgehung dieses Schutzrechtes, wenn nach alter Lesart versetzte Kollegen behandelt werden, wie Neuversetzungen.
Verstoß gegen Grundgesetz
Außerdem sah der Richter in den Regelungen des TV-Ratio-neu einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Grundgesetz), wenn bei interner Vermittlung 2 zumutbare Arbeitsplätze, bei externer Vermittlung 3 Arbeitsplätze abgelehnt werden können und bei Vermittlung in Geschäftsmodelle (hier VTS) nur 1 Arbeitsplatzangebot abgelehnt werden darf, bevor eine Beendigungskündigung ausgesprochen wird. Dem Kollegen wurde ein und das gleiche Angebot zweimal vorgelegt. Die Telekom sah darin 2 Angebote, die Kammer, also der Richter und seine beiden Beisitzer aber nur eines.
Auch aus diesem Grunde sah der Richter die Kündigung nicht als gerechtfertigt an, denn die Telekom habe sich damit nicht an den eigenen TV gehalten.
TV Ratio hat erhebliche Lücken
Weiter wurde vom Richter ausgeführt, dass der TV-Ratio-neu bei den Sanktionen, die zur Kündigung führen erhebliche Lücken aufweist. (Als juristischer Laie konnte ich dem zwar folgen, kann es aber nicht wiedergeben). Es ging aber wieder um die unterschiedlichen Sanktionen bei interner und externer Vermittlung und die dazu anders lautenden Bestimmungen bei Vermittlung in Geschäftsmodelle.
Tarif-Info kein Tarif-Vertrag
Der Vertreter der Telekom wollte dann noch eine Tarif-Info, die hierzu angeblich Ausführungsbestimmungen enthält, in den Stand eines Tarifvertrages heben. Ob dies überhaupt möglich ist wurde vom Richter bezweifelt, denn eine Tarif-Info, auch wenn sie von den Tarifvertragsparteien gemeinsam verabredet wurde, ist in der Hierarchie der Rechtsbestimmungen sicherlich nicht gleichwertig mit einem TV.
Nach strittiger Verhandlung legte der Richter der Telekom nahe, sowohl die Abmahnung, als auch die Kündigung zurück zu ziehen. Die Parteien bekamen 10 Minuten Bedenkzeit. Nach kurzer Beratung der 5 Telekomvertreter machten diese dem Kollegen und seinem Anwalt ein Angebot für einen internen Dauerarbeitsplatz. Vor dem Richter wurde die Verhandlung ausgesetzt, bis dem Gericht eine entsprechende Vergleichseinigung vorliegt.
Ich persönlich hatte hier ganz deutlich den Eindruck, dass die Telekom hier eine Entscheidung des Gerichts mit allen Mitteln verhindern wollte, denn die Ausführungen des Richters in der Verhandlung waren allzu deutlich gegen die Telekom.
Gemeinsam sind wir stark
Wie schon angedeutet bin ich kein Jurist, was ich aber festgestellt habe ist, dass eine gewisse interessierte Öffentlichkeit in den Verhandlungen den Arbeitnehmern vielleicht dienlich sein kann. Es war sehr interessant der Verhandlung zu folgen und von daher kann ich nur vorschlagen: Wenn Telekom Prozesse verhandelt werden, einfach mal hingehen!
Die klagenden Kollegen erhalten so vielleicht noch ein bisschen Rückhalt und der eine oder andere kann dann vielleicht neutral Bericht erstatten.