Unseren Kommentar siehe proT-info November 2012
Kommentar aus dem Portal Rechtslupe.de: Betriebliche Mitgliederwerbung einer nicht tariffähigen Arbeitnehmervereinigung
Kommentar von Rechtsanwalt Norbert Merkens:
Zutrittsrecht der proT-in zum Zwecke der Information und Mitgliederwerbung bei Betriebsversammlungen
Bereits umstritten ist das betriebliche Zugangsrecht von Gewerkschaftsbeauftragten zum Zwecke der Mitgliederwerbung. Hierbei stehen sich das Haus- und Eigentumsrecht des Arbeitgebers als auch die Koalitionsrechte der Gewerkschaft, die durch das Grundgesetz geschützt sind, und die nur im gewissen Umfang eingeschränkt werden dürfen, gegenüber.
Zu den geschützten Tätigkeiten einer Koalition gehört die Mitgliederwerbung, so Bundesverfassungsgericht vom 14.11.1995 in 1 BvR 601/92. Gemäß Art. 9 Abs. 3 GG ist es Aufgabe die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern, die ohne entsprechende Mitgliederzahl von der Arbeitnehmerkoalition nicht ausgeführt werden kann.
Von daher ist die Mitgliederwerbung in den Betrieben von besonderer Bedeutung. Eine effektive Werbung setzt Aufmerksamkeit und Aufgeschlossenheit der Arbeitnehmer voraus, die insbesondere und vor allen Dingen im betrieblichen Dasein erzielt werden kann, so auch BAG vom 30.08.1983 1 AZR 121/81. Von daher kann eine Gewerkschaft auch nach Auffassung des BAG nicht darauf verwiesen werden, dass sie auch außerhalb des Betriebes werben kann, so Urteil des BAG vom 28.02.2006 Az: 1 AZR 461/04.
Grundsätzlich kann somit der Zugang nicht generell verweigert werden, allerdings kann sich der Arbeitgeber gegen den Eingriff in betriebliche Abläufe verwehren.
Das Bundesverfassungsgericht stellt in seiner Entscheidung vom 14.11.1995 fest, dass sich der Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen erstreckt, insbesondere die Mitgliederwerbung. Dies ist auch im europäischen Rahmen kodifiziert, da Art. 11 Abs. 2 EMRK bestimmt, dass die Ausübung dieser Rechte nur Einschränkungen unterworfen werden darf, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind.
Folglich ist eine Abwägung zu treffen.
Im Rahmen der Betriebsversammlungen stehen sich mehrere Rechte gegenüber. So zum einen das Hausrecht des Arbeitgebers, in dessen Namen der zuständige Betriebsrat im Zweifel den Versammlungsraum anmietet. Zum anderen das Recht des Betriebsratsvorsitzenden als Versammlungsleiter gem. § 42 BetrVG als auch das Recht der werbenden Arbeitnehmerkoalition nach Art. 9 Abs. 3 GG.
Einigkeit dürfte darüber bestehen, dass für den Versammlungsraum selber der Betriebsratsvorsitzende entsprechend § 42 BetrVG nicht nur die Versammlungsleitung, sondern auch das Hausrecht ausübt.
In einer Entscheidung von 1964 hat das Bundesarbeitsgericht die weitere Auffassung vertreten, dass das Hausrecht des Arbeitgebers innerhalb der zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten als auch auf den Zugangswegen während der Betriebsversammlung ruht und auf dem Versammlungsleiter und somit auf den Betriebsratsvorsitzenden übergehen. Siehe dazu BAG 1 ABR 12/63.
In einer späteren Entscheidung vom 14.02.1967 BAG 1 ABR 7/66 wurde dies vom Bundesarbeitsgericht wieder ein wenig relativiert. Das Augenmerk wurde darauf gelegt, dass stets darauf abzustellen sei, ob aufgrund des vorangegangenen Verhaltens eine nicht unerhebliche Störung im Betriebsablauf ernstlich zu befürchten ist.
So liegt hier nach § 42 BetrVG das alleinige Hausrecht nicht nur beim Betriebsratsvorsitzenden, sondern auch beim Arbeitgeber zum Beispiel für die Gefahrensicherung im Versammlungsraum und Eingreifen im Notfall.
Dies bedeutet in der praktischen Anwendung bei gerichtlicher Geltendmachung des Zutrittsrechts, dass sowohl der Betriebsrat, vertreten durch den Vorsitzenden, als auch der Arbeitgeber in Anspruch zu nehmen sind.
Da es sich vorliegend bei der proT-in noch nicht um eine Gewerkschaft handelt, sondern um eine, wenn auch stetig wachsende, Arbeitnehmerkoalition, kann diese sich nicht auf die Zugangsrechte und Teilhaberechte zur Betriebsversammlung, so nach § 46 BetrVG, berufen, sondern ist auf den grundgesetzliehen Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG angewiesen.
Insofern stellt sich die Frage nach dem Hausrecht auf den Zugangswegen.
Bereits entschieden ist, dass den Gewerkschaftsbeauftragten das Betreten des Betriebs nicht verboten werden darf, sofern dieses in unmittelbarem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsversammlung steht. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Teilnehmern Zugang zu gewähren, so zuletzt auch BAG vom 20.10.1999 Az. 7 ABR 37/98. Dies dürfte zweifelsohne gelten, sofern die Betriebsversammlung in den eigenen Räumen des Arbeitgebers stattfindet und es sich somit um seinen Besitz handelt.
Vereinzelt wird vertreten, dass der Leiter der Betriebsversammlung in eigener Verantwortung für Ordnung sorgt und daher gegenüber dem Arbeitgeber Entscheidungsgewalt hat, so Richardi - Annoß, Betriebsverfassungsgesetz, 12. Auflage 2010 Rn. 20 bis 21. Dies hätte jedoch die Folge, dass selbst der Arbeitgeber von dem Zugangsweg ausgesperrt werden könnte, was aber im Widerspruch zum Besitzrecht des Arbeitgebers steht.
Rechtlich gleich wäre, ob dies Hausrecht aus dem Besitz am eigenen Betriebsgelände oder aus dem Recht zum Besitz durch Anmietung der Versammlungsräume und Zuwegungen herrührt.
In den jüngsten Entscheidungen zum Hausrecht und Zuwegungen tendierte die Rechtsprechung teilweise dahin, das Hausrecht dem Arbeitgeber zuzusprechen, so OLG Hamm in seinem Beschluss vom 17.03.2005 Az. 10 TaBV 51/05.
Das LAG Düsseldorf vom 11.01.2011, Az. 17 TaBV 160/09, stellte darauf ab, dass hier dem Versammlungsleiter ein gewisser Einfluss auf die Zuwegungen eingeräumt werden kann, dieser sich aber nur auf das Freihalten der Zugangswege zum Veranstaltungsraum beschränkt. Insofern ist ein Recht zum Besitz hinsichtlich des Betriebsrats auch deswegen problematisch, da er keine generelle Rechts- und Vermögensfähigkeit besitzt, als die, die ihm das Betriebsverfassungsgesetz einräumt. Eine über das Betriebsverfassungsgesetz hinausgehende generelle Vermögensfähigkeit kann auch nicht zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat geschaffen werden, sodass er hier nur in Grenzen als Rechtsubjekt tätig werden kann, so BAG vom 29.09.2004, Az. 1 ABR 30/03.
So wurden mehrere Entscheidungen erstritten gegen den Betriebsrat, sei es von der Vivento oder der DTKS. Das Arbeitsgericht Düsseldorf tendiert gegen den Zugangsantrag mit der Argumentation, dass eine Arbeitnehmervereinigung der Aufbau von Informationsständen im Rahmen von Betriebsversammlungen als auch die Verteilung von Informationsmaterial nur insofern gestattet werden könnte, als dass dies unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung zu gewähren ist. Sofern der Betriebsrat jegliche Werbe- und Informationsstände nicht gestatte, habe auch die Arbeitnehmervereinigung kein Zutrittsrecht, so Arbeitsgericht Düsseldorf 13 BVG 5/09 vom 05.03.2009.
Nach einer späteren Entscheidung des Arbeitsgerichts Düsseldorf hat der Betriebsratsvorsitzende das Hausrecht und auch als neue Variante die Möglichkeit, durch einen Betriebsratsbeschluss rechtmäßig zu bestimmen, dass nur die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und die Deutsche Telekom AG zugelassen werden.
Dabei wurde ein umstrittener Betriebsratsbeschluss, der nach einer Anregung des Arbeitsgerichts erging, als Maßstab dafür genommen, dass hier angeblich keine willkürliche Entscheidung des Betriebsrats mehr erfolgt, sondern ein berechtigter Beschluss vorliegt, der den Kreis der teilnehmenden Arbeitnehmervereinigungen an Werbe - und Informationsständen beschränkt.
Zu Recht wäre hier eine Unterscheidung getroffen worden zwischen Gewerkschaften und anderen Vereinigungen, da dies auch im Betriebsverfassungsgesetz so vorgesehen sei unter anderem § 2 Abs. 1 und § 46 Abs. 1 BetrVG. Ein entsprechendes Beschwerdeverfahren beim Landesarbeitsgericht führte im Verfahren 17 TABV 160/09 zur Erkenntnis, dass entsprechende Entscheidungen gegen den Arbeitgeber und den Betriebsrat nur einheitlich ergehen können, wobei die Beschwerdekammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf feststellte, dass dem Betriebsrat dabei grundsätzlich die Befugnis fehlt, den Zutritt zu den hier streitigen Räumlichkeiten und dem Veranstaltungsgelände zu gewähren. Dabei stellt das Landesarbeitsgericht auf das umstrittene Rechtsverhältnis des Hausrechts ab.
Dieses Verfahren ist mittlerweile beim Bundesarbeitsgericht zum Aktenzeichen 1 ABR 11/11 entschieden.
Wie das Bundesarbeitsgericht nun am 22. Mai 2012 1 ABR 11/11 in den Gründen mitteilt, sind die Anträge gegen den Arbeitgeber zu richten als sozialen Gegenspieler.
Der Haupt- und die Hilfsanträge können nur durch den Arbeitgeber erfüllt werden.
Dies gilt auch für streitgegenständliche Werbemaßnahmen im räumlichen Umfeld von Betriebsversammlungen.
Hierbei hat der Betriebsrat das Hausrecht, im Raum der Betriebsversammlung selber als auch für die Zugangswege zu dem Ort der Betriebsversammlung, nicht jedoch auch auf sonstige Räumlichkeiten in dessen Umfeld.
Im Rahmen einer praktischen Konkordanz ist die Kollision des Grundrechts der Arbeitnehmervereinigung nach Art. 9 Abs. 3 GG und die Grundrechte des Arbeitgebers nach Art. 12 Abs. 1, Art. 13, Art. 14 Abs. GG zu lösen.
Wie das Bundesarbeitsgericht mitteilt, besteht eine Schutzlücke, die der Gesetzgeber bis jetzt nicht geschlossen hat und die im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung zu schließen ist, so auch BAG vom 22. Juni 2010 1 AZR 179/09.
Das Gericht wies darauf hin, dass im Rahmen von Globalanträgen eine besondere Begründungspflicht besteht, wenn der Zutritt zu Werbezwecken in den Betrieb öfters als einmal im Kalenderhalbjahr verlangt wird. Dann ist die Notwendigkeit der Häufung des Zutritts näher zu begründen, so auch in BAG 22.06.10 - 1 AZR 179/09.