VGH hebt VG-Entscheidung auf
Kommentar Rechtsanwalt Peter Koch, Hannover:
Der Hess. Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 28.09.2018 die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen eine Zuweisungsverfügung betreffend eine Tätigkeit im Unternehmen VCS GmbH angeordnet. In der Entscheidung geht es um eine Beamtin, die unter MS leidet und einen GdB von 50 hat. Sie hat geltend gemacht, dass es sich bei MS um eine dauerhafte Erkrankung handelt, die keinem dauerhaften Heilungsprozess unterliegt und im günstigsten Fall stagniert, sich in der Regel jedoch verschlechtert. Sie benötigt Hilfe im Alltag für Haushaltstätigkeiten (Einkaufen, Tragen schwerer Lasten), weil diese körperlich zu schwer und zu anstrengend sind. Es kommt zu schneller Ermüdung. Im gegenwärtigen sozialen Umfeld erhält sie Hilfen vom Ehemann, Nachbarn, Freunden und Bekannten. Am neuen Wohnort sind diese Hilfen nicht gegeben.
Außerdem wurde bekannt, dass der betreffende VCS-Standort im ersten Quartal 2019 geschlossen und anschließend eine Zuweisung zu einem neuen Standort vorgenommen werden solle. Bereits im Mai 2017 hatte die Deutsche Telekom AG eine betriebsärztliche Untersuchung in Auftrag gegeben. Darin wurde festgestellt, dass der Beamtin aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen eine Fahrzeit von 60 Minuten maximal zur Arbeitsstelle von Tür zu Tür zumutbar sei. Das Gutachten enthält den Zusatz „für ein Jahr“. Die DT AG schloss daraus, dass nach Ablauf eines Jahres die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Zuweisung nicht mehr entgegenstehen und ordnete die Zuweisung entsprechend an.
Das Verwaltungsgericht Kassel hatte mit Beschluss vom 09.07.2018 den Antrag zunächst abgelehnt. Der Verwaltungsgerichtshof gab im Beschwerdeverfahren dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs statt. In den Entscheidungsgründen führt der VGH aus, dass die DT AG den aktuellen Stand der Erkrankung hätte neu überprüfen müssen. Bei Multipler Sklerose handele es sich bekanntermaßen um eine in den Symptomen typischerweise bestenfalls auf gleichem Niveau verbleibende oder sich zunehmend verschlechternde Erkrankung. Der Dienstherr hätte nicht davon ausgehen dürfen, dass die Erkrankung nach Ablauf eines Jahres seit der letzten betriebsärztlichen Untersuchung ausgeheilt oder sich nennenswert gebessert hätte. Stattdessen hätte eine weitere betriebsärztliche Stellungnahme eingeholt werden müssen. Außerdem gibt der VGH den Hinweis, dass auch die Schließung des VCS-Standorts im Rahmen der Ermessensentscheidung hätte berücksichtigt werden müssen, denn es sei schon jetzt absehbar, dass die Beamtin in etwa einem halben Jahr einen erneuten Umzug würde bewältigen müssen.