Landesarbeitsgericht München Aktenzeichen: 3 TaBV 55/20
Liebe Mitstreiter,
tarifzuständige Gewerkschaften können bekanntlich das Privileg nutzen, Wahlvorschläge auch ohne „Stützunterschriften“ einzureichen, wenn diese durch zwei Gewerkschafts-Beauftragte unterschrieben werden. Aber das ist dann, was anscheinend weniger bekannt ist, auch an strenge Regularien gebunden. Nicht jeder, der sich zuständig fühlt darf unterschreiben. Wenn der Wahlvorstand gewissenhaft arbeitet, überprüft er die Legitimation der Unterzeichner eingehend. Im beigefügten Beispiel hatte ein verdi Rechtssekretär Untervollmachten an andere vergeben. Das geht so nicht, entschied das Arbeitsgericht München und das führte dann zur erfolgreichen Anfechtung der Betriebsratswahl.

Nur unter der Voraussetzung, dass sich die Beauftragung zur Einreichung einer Wahlvorschlags entweder unmittelbar aus der Satzung der Gewerkschaft ergibt oder das diese durch die satzungsmäßigen Organe ordnungsgemäß ausgesprochen wird, können sowohl hauptberufliche Angestellte einer Gewerkschaft als auch Arbeitnehmer des Betriebs oder eines anderen Betriebs in ehrenamtlicher Funktion beauftragt werden.

Untervollmachten für andere Personen, die durch einen Gewerkschaftssekretär ausgestellt werden genügen diesen Anforderungen nicht.

Es liegt kein Wahlvorschlag einer Gewerkschaft i. S. v. § 14 Abs. 5 BetrVG vor, wenn die Unterzeichner des Wahlvorschlags nicht Beauftragte im Sinne der Satzung von verdi gem. § 14 Abs. 5 BetrVG sind.


verdi Bevollmächtigter wird man nicht par ordre du mufti
Wenn es die Satzung nicht vorsieht, darf ein Gewerkschaftssekretär keine Untervollmachten zur Unterzeichnung von Wahlvorschlägen erteilen

Im vorliegenden Fall leitet sich unstreitig die Beauftragung der Arbeitnehmer Z und Y nicht unmittelbar aus der Satzung von verdi ab. Beide Arbeitnehmer sind aber auch nicht durch die satzungsmäßigen Organe der Gewerkschaft zur Einreichung von Wahlvorschlägen beauftragt worden. In bezirklichen Angelegenheiten, zu denen die Unterstützung von Betriebsräten zählt, wird verdi durch den/die Bezirksgeschäftsführer/in zusammen mit dem Vorsitzenden des Bezirksvorstands vertreten, §§ 28 Abs. 3 d) und 29 Nr. 1 der Satzung.

Demgegenüber hat die Vollmacht vom 14.10.2019 der Gewerkschaftssekretär des Bezirks D-Stadt und Region Herr E. allein ausgestellt, der weder Vorsitzender des Bezirksvorstands noch Bezirksgeschäftsführer der Gewerkschaft ist.

Entgegen der Auffassung des Betriebsrats war es nicht zulässig, dass der Gewerkschaftssekretär des Bezirks D-Stadt und Region die Arbeitnehmer Z und Y durch Untervollmacht mit der Unterzeichnung und Einreichung der Wahlvorschlagsliste der Liste 2 als gewerkschaftlichen Wahlvorschlag i. S. d. § 14 Abs. 5 BetrVG beauftragte. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut, der Systematik und dem Sinn und Zweck des § 14 Abs. 5 BetrVG und § 27 Abs. 2 WO i.V.m. § 126 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

Während § 14 Abs. 5 BetrVG nur von zwei „Beauftragten“ spricht, konkretisiert § 27 Abs. 2 WO diese als „Beauftragte(n) der Gewerkschaft“. „Beauftragte der Gewerkschaft“ sind aber nur solche Personen, die die Gewerkschaft entweder durch ihre Satzung oder durch Vollmacht ihrer verfassungsmäßigen Organe bestimmt. Andernfalls handelt es sich um die Beauftragten der Beauftragten der Gewerkschaft. Da an die Abgabe von Erklärungen bei Wahlen besonders strenge formelle Anforderungen zu stellen sind, hätte dies eine entsprechende Klarstellung durch den Gesetzgeber bzw. Verordnungsgeber wie „Beauftragte der Gewerkschaften oder der von diesen Beauftragten“ bedurft.

Schließlich dient die Regelung des § 14 Abs. 5 BetrVG wie die des § 14 Abs. 4 BetrVG dazu, die Betriebsratswahl auf ernsthafte Bewerber zu beschränken. Während § 14 Abs. 4 BetrVG für den nicht gewerkschaftlichen Wahlvorschlag deshalb ein Mindestquorum wahlberechtigter Arbeitnehmer des Betriebs verlangt, setzt § 14 Abs. 5 BetrVG voraus, „dass eine Gewerkschaft hinter dem Wahlvorschlag steht“ (vgl. Fitting u.a., a.a.O., § 14 BetrVG Rn. 67). Das gesetzgeberische Ziel, nur ernsthafte Bewerber zur Betriebsratswahl zuzulassen, setzt deshalb voraus, dass der Auftrag zur Unterzeichnung des gewerkschaftlichen Wahlvorschlags – wenn er sich nicht schon aus der Satzung der Gewerkschaft selbst ergibt – durch die satzungsmäßigen Organe der Gewerkschaft (wirksam) erteilt wird. Die gesetzliche Regelung, dass zwei Beauftragte den gewerkschaftlichen Vorschlag zu unterzeichnen haben, verlöre jeden Sinn, wenn es genügen würde, dass ein Gewerkschaftsbeauftragter Dritte rechtsgeschäftlich bevollmächtigen könnte, ihn bei der Unterzeichnung der Wahlvorschlagsliste zu vertreten (s.a. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14.01.2016 5 TaBV 19/15 Rn. 29 für den Fall, dass ein Beauftragter den anderen Beauftragten bevollmächtigt, ihn bei Änderungen des von ihm bereits unterzeichneten Wahlvorschlags zu vertreten; zustimmend insbesondere Jacobs in GK-BetrVG, Bd. 1, 11. Aufl. 2018, § 27 WO Rn. 3). Das vom Gesetz vorgesehene Vieraugenprinzip bei gewerkschaftlichen Wahlvorschlägen
würde andernfalls faktisch aufgehoben sein.


Mit freundlichen Grüßen
Dirk Motzkus
proT-in Bundesvorstand

Durchsetzungsfähigkeit des TPS-Betriebsrats gestärkt

Oberverwaltungsgericht NRW, 20 A 643/14.PVB

Mitgeteilt durch Rechtsanwalt Frank Wieland, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Bonn:
„In der Praxis ist immer wieder fraglich, inwiefern sich ein Personalrat oder Betriebsrat korrekt auf einen Zustimmungsverweigerungsgrund berufen hat. Das Vorbringen des Personal- oder Betriebsrats muss es nämlich mindestens als möglich erscheinen lassen, dass einer der in § 77 Abs. 2 BPersVG abschließend geregelten Verweigerungsgründe gegeben ist. In dem vom OVG Münster entschiedenen Fall hatte sich der Betriebsrat eines Postnachfolgeunternehmens auf eine unzureichende Unterrichtung berufen – was alleine nicht ausreichend für eine beachtliche Zustimmungsverweigerung ist – darüber hinaus aber auch sachliche Einwände gegen die beabsichtigte Personalmaßnahme erhoben, insbesondere auf die Fehlerhaftigkeit der Ermessensentscheidung bei der Auswahl einer Beamtin für eine zuzuweisende Tätigkeit hingewiesen. Die Telekom AG hatte dies nicht als beachtlichen Zustimmungsverweigerungsgrund angesehen. Der Rechtsstreit konnte durch zwei Instanzen mit Erfolg für den Betriebsrat abgeschlossen werden:
Das Oberverwaltungsgericht hat jetzt mit Beschluss vom 21.12.2015 – 20 A 643/14.PVB festgestellt, dass die Beschwerde des Beteiligten zurückgewiesen wird und die Zustimmungsverweigerung beachtlich war. Entscheidend sei bei einer Zustimmungsverweigerung der erklärte Wille des Betriebsrats, wie er auch aus den Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgehen kann. Ausgehend davon bestand für den Beteiligten hinreichend Anlass, die vom Betriebsrat gemachten Ausführungen zur Ermessensentscheidung des Beteiligten nicht nur als Rüge einer unzureichenden Unterrichtung, sondern auch als sachlichen Einwand anzusehen und das Einigungsstellenverfahren einzuleiten, was der Beteiligte im vorliegenden Fall unterlassen hatte. Die Rüge fehlerhafter Ermessensausübung bei einer Zuweisung nach § 4 Abs. 4 PostPersRG stellt demnach einen beachtlichen Zustimmungsverweigerungsgrund dar!“

Arbeitsgericht Köln, 4 BV 81/14

Rechte der Schwerbehindertenvertretung auf Informierung und Versorgung mit Adressdaten gestärkt
Mit deutlicher Klarheit hat das Arbeitsgericht Bonn in dem Beschluss die Rechte der Schwerbehindertenvertretung eines Betriebs der Telekom AG im Hinblick auf die Bereitstellung notwendiger Daten zur Durchführung der Arbeit der Schwerbehindertenvertretung bestätigt. Einerseits ging es um die Bereitstellung privater Adressdaten für die Einladung zur Schwerbehindertenversammlung, die seitens der Telekom AG verweigert wurde mit Hinweis auf datenschutzrechtliche Gründe. Das Gericht arbeitet hier zutreffend heraus, dass in zahlreichen Betrieben der Telekom AG die Arbeitnehmer eben nicht räumlich in einem Gebäude zusammensitzen, so dass es zwingend notwendig ist, dass auch private Adressdaten übermittelt werden, weil ansonsten eine Einladung zur Schwerbehindertenvertretung nicht möglich ist. Dem – so das Arbeitsgericht Bonn – stehen auch datenschutzrechtliche Gründe nicht entgegen; die Datenübermittlung sei vielmehr aufgrund von § 28 Abs. 1 Nr. 2 und § 32 BDSG zulässig.

Weiter war zwischen den Parteien das Zeitintervall der Überlassung von aktuellen Daten über die Schwerbehindertenbeschäftigten im Streit. Aufgrund der hohen Fluktuation, Zuversetzungen und Wegversetzungen, hat die Schwerbehindertenvertretung naturgemäß ein Interesse an zeitnaher periodischer Unterrichtung. Das Arbeitsgericht bestätigt hier den geltend gemachten Anspruch auf eine monatliche Übermittlung eines Verzeichnisses der Schwerbehindertenbeschäftigten in der Form gem. §§ 95, 80 SGB IX.

Mit der rechtskräftigen Entscheidung wird die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung wesentlich erleichtert.

Frank Wieland, Fachanwalt f. Verwaltungsrecht, Bonn

Bundesarbeitsgericht, 7 ABR 6/11

Reaktivierung eines Beamten nach DDU gilt kollektivrechtlich als Einstellung

Ein dauernd dienstunfähiger Post-Beamter sollte auf einem anderen Einsatzgebiet reaktiviert werden. Der Betriebsrat lehnte dies ab. Der Arbeitgeber scheiterte nun deshalb mit dem Begehren, dessen Zustimmung ersetzen zu lassen, weil es sich um eine Entscheidung nach § 76 Absatz 1 Punkt 1 BPersVG (Einstellung, keine Ersetzung der Zustimmung möglich) handele und nicht um eine Versetzung, die unter § 99 BetrVG fallen würde.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 10 TaBV 567/11

Erfüllung von Betriebsratsaufgaben auch ohne Betriebsratsbeschluss möglich

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat in seinem Beschluss vom 20.10.2011 die Rechte von Betriebsrats- und Ersatzmitgliedern bei der Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben gestärkt.
Es ging in diesem Verfahren um einen Arbeitnehmer der als Ersatzmitglied für ein verhindertes reguläres Betriebsratsmitglied zeitweise nachgerückt war. Anfang Mai 2010 meldete sich dieser Kollege während seiner Arbeitszeit bei seinem Vorgesetzten zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben ab. Mitte Mai 2010 meldete er sich wieder bei seinem Vorgesetzten diesmal zur Teilnahme an einer Besprechung als Betriebsratsmitglied ab. Am darauffolgenden Tag nahm das immer noch zweitweise nachgerückte Mitglied an einer Arbeitsplatzbegehung teil, da sich Mitarbeiter aus Gründen des Gesundheitsschutzes beschwert hatten. Der Kollege hatte sich auch hierfür bei seinem Vorgesetzten abgemeldet.
Die Vorgesetzten drohten daraufhin an jedem dieser Tage mit arbeitsrechtlichen Sanktionen. Die Arbeitsplatzbegehung sollte unter Androhung von Lohnkürzungen abgebrochen werden. Außerdem sollte der Zutritt zu den entsprechenden Arbeitsplätzen verwehrt werden. Der Vorgesetzte war der Meinung der Kollege habe kein recht sich während der Arbeitszeit von seinem Arbeitsplatz zu entfernen, da er erst nach einem Betriebsratsbeschluss als Betriebsratsmitglied tätig werden dürfe.
Das Gericht stellt fest, dass die Maßnahmen der Arbeitgeberin Behinderungen im Sinne des § 78 Satz 1 BetrVG darstellen und somit nicht rechtmäßig sind. Erfasst ist jede unzulässige Erschwerung, Störung oder gar Verhinderung der Betriebsratsarbeit. Auch Benachteiligungen von Betriebsratsmitgliedern sowie deren Ersatzmitgliedern (wenn diese zweitweise nachgerückt sind) sind verboten und müssen nicht hingenommen werden. Dem Betriebsrat und dessen einzelnen Mitgliedern stehe ein Unterlassungsanspruch zu, soweit Behinderungen durch den Arbeitgeber im Sinne des BetrVG vorliegen, so das Gericht. Dies steht nicht eindeutig in § 78 BetrVG, ist aber nach Auffassung des Gerichtes daraus abzuleiten, damit die Erfüllung der Betriebsratsaufgaben sinnvoll geschützt werden könne.
Das Gericht macht ebenso deutlich, dass jedes Betriebsratsmitglied - ebenso die nachgerückten Ersatzmitglieder - bestimmte Aufgaben auch ohne Betriebsratsbeschluss erfüllen können. Gerade wenn Arbeitnehmer Rechte wie das Erörterungsrecht (§ 82 Abs. 2 BetrVG) oder das Beschwerderecht (§ 84 BetrVG) wahrnehmen und Betriebsratsmitglieder um Unterstützung bitten, ist ein Betriebsratsbeschluss nicht notwendig. Diese Aufgaben dürfen auch während der Arbeitszeit bearbeitet werden. Auch Arbeitsplatzbegehungen im Rahmen von Beschwerden der Arbeitnehmer dürfen nicht untersagt werden.
Das Betriebsratsmitglied muss sich aber, wie auch in dem hier geschilderten Fall geschehen, bei seinem Vorgesetzten abmelden. Das Gericht stellt klar, dass die Meldung die Angabe, dass sich das Mitglied zum Zwecke der Betriebsratsarbeit entfernt, wo und wie es in dieser Zeit erreichbar ist und die Angabe der voraussichtlichen Dauer der Betriebsratsarbeit enthalten muss. Darüber hinausgehende Auskünfte seien nicht notwendig.

Landesarbeitsgericht Köln, 11 TaBV 60/08

Mitbestimmung in Beamtenangelegenheiten

Die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichtes Köln hat festgestellt, dass der Vivento-Betriebsrat bei befristeten Versetzungen von Beamten des Betriebs Vivento, mit Ausnahme der in der Position eines Leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG tätigen Beamten, von mehr als einem Monat zum CC BP (jetzt: VBS) verbunden mit einem Wechsel des Dienstortes nach § 99 BetrVG zu beteiligen ist.
„Mit der mangels Widerspruch rechtskräftigen Versetzung eines Beamten nach V verliert der Beamte nicht seinen Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung.“ „Eine amtsangemessene Beschäftigung besteht "üblicherweise" nicht in einem ständigen Wechsel des Arbeitsplatzes/Dienstposten.“ (R.-Nr. 23 und Leitsätze)
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht ist am 24.08.2011.

Arbeitsgericht Bonn, 5 BV 1/11

Geschäftsordnung des Vivento-Betriebsrats ist nicht rechtskonform

Wir hatten schon bei der ersten Entwurfs-Vorlage der Geschäftsordnung für den Vivento Betriebsrat erhebliche rechtliche Bedenken vorgebracht, trotzdem wurde diese seinerzeit mit ver.di-Mehrheit durchgepeitscht. Nun müssen wir leider die einzelnen rechtswidrigen Punkte nach und nach vom Arbeitsgericht korrigieren lassen.

Die manchmal etwas anmaßend wirkende Betriebsratsvorsitzende (u.a. meint sie, dass ihr das Hausrecht im ganzen Gebäude der Telekom Zentrale zusteht) ging in diesem streitbefangenen Fall davon aus, "allein sie als Vorsitzende und ihre Stellvertreter seien berechtigt, die Einladung von Ersatzmitgliedern auszusprechen", wie es in dem Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 06.04.2011 zu lesen ist.

Der korrigierende Beschluss der 5. Kammer dazu: "Es wird festgestellt, dass § 9 Abs. 9 der Geschäftsordnung des Beteiligten zu 8. rechtsunwirksam ist."

Landesarbeitsgericht Stuttgart, 8 TaBV 4/03

Schwerbehindertenvertretungswahl für unwirksam erklärt: Wählerverzeichnis nur partiell einsehbar

Im vorliegenden Fall gewährte der Wahlvorstand den Wahlberechtigten nur Einblick in den Teil der Liste, der ihren eigenen Anfangsbuchstaben des Nachnamens betraf. So konnte man sich zwar vergewissern, ob man selber auf der Liste stand, das ist aber zu wenig. Denn: Die Liste in ihrer Gesamtheit muss überprüfbar sein, z.B. muss ein Wahlbewerber auch überprüfen können, ob sein eigener Kandidat und die Kandidaten von anderen Wahlbewerbern wahlberechtigt sind (betrifft auch die Unterstützer). Wer also nach § 4 Abs. 1 SchbVWO der Wählerliste widersprechen könnte, muss die komplette Liste einsehen dürfen. Ist dies nicht der Fall, liegt ein Verstoß gegen erhebliche Wahlvorschriften vor, der auch das Wahlergebnis beeinflussen kann.

Landesarbeitsgericht Hannover, 11 SA 614/06

Einbeziehung des BRs durch den AG in manchen Bereichen auf mitbestimmungspflichtige Tatbestände beschränkt

Das LAG Hannover revidierte ein Urteil des ArbG Hannover teilweise. Letzteres hatte im konkreten Fall zulassen wollen, dass vom Arbeitgeber beigezogene Betriebsratsmitglieder an Personalgesprächen gegen den Willen des AN teilnehmen können. Bei nicht mitbestimmungspflichtigen Gesprächsgegenständen geht das nicht, urteilte das LAG. Es sei nämlich eine Güterabwägung vorzunehmen, die bei mitbestimmungspflichtigen Gesprächsgegenständen zugunsten des Betriebsrates, bei nicht mitbestimmungspflichtigen zugunsten des Arbeitnehmers ausfiele, da der BR dort nur Informationsrechte habe. Diese Informationen können ihm auch anderweitig zukommen. Ebenso verhält es sich beim Thema Vorlage der Personalakte: Bei mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten (etwa die Information über das Bestehen einer Schwangerschaft!) kann das Vorlegen der Personalakte korrekt sein, bei nicht mitbestimmungspflichtigen nicht. Legt der AG Personalausschussmitgliedern die Personalakte vor, so hat der AN kein Auskunftsrecht, warum und in welchem Umfang der AG das getan hat. Mit dem daraufhin gerichteten Antrag scheiterte der AN: ER hätte ein berechtigtes Bedürfnis für die Auskunftserteilung haben müssen.

Arbeitsgericht Bonn, 4 BVGa 14/10 und Landesarbeitsgericht Köln, 6 TaBVGa 8/10

Die Wahl der Schwerbehindertenvertretung bei Vivento 2010 muss abgebrochen werden

Hauptgrund für die Entscheidung des Gerichtes (einstweilige Verfügung) ist, dass der Vorgabe „Das Wahlsausschreiben ist daher so auszuhängen, dass es von allen Wahlberechtigten zur Kenntnis genommen werden kann“ vom Wahlausschuss nicht nachgekommen wurde. Eine postalische Versendung an die im Wählerverzeichnis Aufgeführten reicht nicht, da ja jeder mitbekommen können muss, dass er z.B. zu Unrecht nicht im Wählerverzeichnis steht. Als weiterer Grund, der zur Nichtigkeit oder zur erfolgssicheren Anfechtung der Wahl führen würde, sieht das Gericht eine falsche Zählung der Stützunterschriften für proT-in an. Die proT-in war wegen angeblich zu weniger Stützunterschriften nicht zur Wahl zugelassen worden.

LAG Köln unterstreicht Bonner Entscheidung
Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass das Wahlverfahren zur Wahl der Schwerbehindertenvertretung wegen gravierender Fehler ausnahmsweise abzubrechen ist.
Das LAG stellt von der Gewichtung her die Nichtzulassung der proT-in bei der Begründung nach vorne: „schwerwiegende(r) und offensichtliche(r) Rechtsfehler“.

Gerichtsentscheidungen, die die Betriebsratswahlen und Schwerbehindertenvertretungswahlen ab 2010 betreffen
[hr]

Arbeitsgericht Dortmund, 4 BVGa 13/10

Wahlvorstand Zentrum Planung in DT NP wird nicht abgesetzt

Im Rahmen der Ausschreibung zur Betriebsratswahl 2010 hatte der Wahlvorstand des Betriebs Technik Planung (Teil von DT NP) mehr Betriebsratsmandate angesetzt, weil er die Mitarbeiter von "Leuchtturmprojekten" als wahlberechtigt mitgezählt hat. Dagegen klagte der Arbeitgeber im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die Richterin aber beantwortete die zur Debatte stehende Frage, nämlich ob der Wahlvorstand grob fährlässig gehandelt habe, negativ und beließ ihn im Amt sowie die Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder bei der vom Wahlvorstand berechneten Anzahl..
Die Richterin sagte sinngemäß, dass der Personalbestand der GmbH kurz vor und kurz nach der BR-Wahl kaum genau zu bestimmen ist. Auch mehrere hundert Seiten Aktenlage ändern daran nichts bzw. bestätigten diese Ungewissheit. Auch ein von der Arbeitgeberseite vorgelegtes Statement führte zu keiner brauchbare Klärung.
Es könne wohl zu einer Wahlanfechtung kommen, so die Richterin, deshalb habe aber der Wahlvorstand noch lange nicht grob fahrlässig gehandelt.

Wir bewerten hier das Verhalten des Wahlvorstandes als eindeutig nicht grob fahrlässig, aber das Verhalten der Arbeitgeberseite als groben Unfug!