Gerichtsentscheidungen u. Hinweise für Arbeitnehmer allgemein

Hier findest Du wichtige Gerichtsentscheidungen

Urlaubsgewährung AG "von sich aus"

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 21 Sa 221/14

Urlaubsabgeltung als Schadensersatz
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Pressemitteilung Nr. 31/14
zum Urteil vom 12.06.2014, Aktenzeichen 21 Sa 221/14
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz ebenso wie den Anspruch auf Ruhepausen und Ruhezeiten nach dem Arbeitszeitgesetz von sich aus zu erfüllen. Kommt der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach und verfällt der Urlaubsanspruch deshalb nach Ablauf des Übertragungszeitraums, hat der Arbeitgeber ggf. Schadensersatz in Form eines Ersatzurlaubs zu leisten bzw. diesen Ersatzurlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten. Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer vor dem Verfall des ursprünglichen Urlaubsanspruchs rechtzeitig Urlaub beantragt und dadurch den Arbeitgeber in Verzug gesetzt hatte.

Der Arbeitnehmer hat mit seiner Klage nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses u.a. die Abgeltung seines Urlaubs für das Jahr 2012 gefordert, den der Arbeitgeber nicht gewährt, der Arbeitnehmer aber auch zuvor nicht geltend gemacht hatte.

Das Landesarbeitsgericht hat den Arbeitgeber zur geforderten Urlaubsabgeltung verurteilt. Der Arbeitgeber habe seine Verpflichtung, den Urlaub zu erteilen, schuldhaft verletzt und müsse daher Schadensersatz leisten. Der Anspruch hänge – entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 15.09.2011 – 8 AZR 846/09) – nicht davon ab, dass sich der Arbeitgeber mit der Urlaubsgewährung in Verzug befunden habe.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Leitsatz der Entscheidung:
1. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz von sich aus zu erfüllen. Dies ergibt sich daraus, das der gesetzliche Urlaubsanspruch dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten dient und arbeitsschutzrechtlichen Charakter hat.

2. Folgt man der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch nach § 7 Abs. 3 BUrlG befristet ist und mit Fristablauf verfällt, haben Beschäftigte nach § 280 Abs. 1 und 3, § 283 BGB i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz in Form eines Ersatzurlaubsanspruchs, wenn der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch nicht rechtzeitig erfüllt, es sei denn, der Arbeitgeber hat die Nichterfüllung nicht zu vertreten. Darauf, ob sich der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Verfalls des Urlaubsanspruchs im Verzug befindet, kommt es nicht an.

3. Kann der Urlaubsersatzanspruch wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr realisiert werden, ist er nach § 251 Abs. 1 BGB abzugelten.
Dateianhänge
LAG_Berlin-Brdbg_21Sa221_14.pdf
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.06.2014, AZ.: 21 Sa 221/14

Rechengröße bei Versorgungsausgleich

Bundesgerichtshof, XII ZB 354/12

Versorgungsausgleich beim Telekom-Pensionsfonds: Fondsanteile als Rechengröße

Betriebsrentenanteile sind bei einer Scheidung in den Versorgungsausgleich einzubeziehen. Bei fondsgebundenen Systemen kann es die Besonderheit geben, dass sich die Fondsanteile oder der Wert derselben zwischen der Berechnung (Eheende) und dem „Vollzug der rechtskräftigen Teilungsentscheidung“ ändern. Bei der so genannten internen Teilung, bei der im Versorgungssystem des Ausgleichspflichtigen ein Anrecht mit einer vergleichbaren Wertentwicklung begründet wird, wird beim Telekom-Pensionsfonds der Ex-Ehepartner als „Planteilnehmer mit dem Status eines Arbeitnehmers, der mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft aus dem Dienst des Mitgliedsunternehmen ausgeschieden ist“, geführt.
In der o.a. Entscheidung des Bundesgerichtshofs gab dieser dem Anliegen des Telekom-Pensionsfonds statt, die Anteile als Fondsanteile zu berechnen und zu bezeichnen. Zwar bestimme § 45 Abs. 1 VersAusglG, „dass der Versorgungsträger bei der Berechnung des Ehezeitanteils wahlweise vom Wert des Anrechts als Rentenbetrag gemäß § 2 BetrAVG oder als Kapitalbetrag gemäß § 4 Abs. 5 BetrAVG ausgehen kann“, aber „der sich aus den allgemeinen Bestimmungen (§§ 5 Abs. 1 und 3, 39 Abs. 2 VersAusglG) ergebende Grundsatz, dass der Ausgleichswert in der im jeweiligen Versorgungssystem verwendeten Bezugsgröße zu bestimmen ist, soll - auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 16/10144, S. 49) - für alle Versorgungsträger und damit auch für die Träger der betrieblichen Altersversorgung gleichermaßen Geltung beanspruchen“.
Dateianhänge
BGH_XIIZB354_12.pdf
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.09.2014, AZ.: XII ZB 354/12

Schadensersatz bei unwirksamer Änderungskündigung

Terminsbericht
Schadensersatz bei unwirksamer Änderungskündigung
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Rudolf Hahn, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Erfurt
Am 05.02.2015 fand beim Arbeitsgericht Bonn eine Schadensersatzklage eines Arbeitnehmers gegen die Deutsche Telekom AG statt. Es ging um die Mehraufwendungen wie Fahrtkosten, Übernachtungskosten und Verpflegung. Diese waren aufgrund der ausgesprochenen Änderungskündigung von München nach Darmstadt angefallen, da der Arbeitnehmer das Änderungsangebot unter Vorbehalt der rechtlichen Prüfung angenommen hatte. Es hatte sich ziemlich schnell herausgestellt, dass die Änderungskündigung – auch aufgrund eines Schreibens hinsichtlich einer Zusage zu einem wohnortnahen Einsatzes – unwirksam war. Die Deutsche Telekom AG ging jedoch in Berufung zum Landesarbeitsgericht, welche die Änderungskündigung ebenfalls als unwirksam ansah, anschließend hatte das Bundesarbeitsgericht die Nichtzulassungsbeschwerde mit einem Satz als unbegründet ab getan. Es konnte nunmehr ein Vergleich erzielt werden, der einen Abgeltungsbetrag für die vorbezeichneten Aufwendungen vorsieht. Insofern galt es zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer auch in München Verpflegungs- und Fahrtkosten gehabt hätte, welche in Anrechnung zu bringen gewesen wären. Auch stellte sich die Frage der Anspruchsgrundlage und des Verschuldens des Arbeitsgebers.

Im Ergebnis kann der Arbeitnehmer, der persönlich zur Verhandlung zugegen war (Anmerkung: dies war sehr gut, da unmittelbar vor Ort Einzelheiten abgestimmt werden konnten und auch offene Fragen sofort geklärt werden konnten) mit dem Ergebnis leben, zumal er ja weiter arbeiten muss und die Einigung auch für das Betriebsklima beziehungsweise das Arbeitsverhältnis von Vorteil ist.

Anmerkung:
Auch dies zeigt abermals, dass man für seine Rechte kämpfen muss und durchaus Chancen hat, seine Ansprüche durchzusetzen beziehungsweise zumindest einen Vergleich auszuhandeln.

Alle drei Instanzen

Arbeitsgericht Bonn, 6 Ca 1853/13, Landesarbeitsgericht Köln, 6 Sa 822/13, Bundesarbeitsgericht, 7 AZN 557/14

Kurzbeitrag von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Rudolf Hahn, Erfurt zum Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 12.11.2014, Az.: 7 AZN 557/14 sowie dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 17.04.2014, Az.: 6 Sa 822/13

Weitere unwirksame Versetzung nach Darmstadt

Der Arbeitnehmer war seit 1978 bei der Deutschen Telekom AG bzw. den Rechtsvorgängern beschäftigt. Im Rahmen einer Auslagerung war er ab 1999 bis 2006 bei der T-Nova GmbH tätig. Das Arbeitsverhältnis lebte dann ab 2006 wieder auf, da er nicht zur T-Nova GmbH bzw. nunmehr T-Systems International GmbH wechseln wollte. Er wurde zur PBM-NL (Personalbetreuung für zu Inlandstöchtern beurlaubte Mitarbeiter) zugeordnet und dreimal vorübergehend im Rahmen von konzerninterner Leiharbeit eingesetzt. Er besitzt den besonderen Kündigungsschutz gemäß § 47 TV-Ang. Danach ist er ordentlich unkündbar mit der Ausnahme zum Zwecke der Herabgruppierung, wenn eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dringenden betrieblichen Gründen nachweisbar nicht mehr möglich ist.

In einem Versetzungsschreiben von 2001 zur PBM-NL wurde ihm zugesagt, nach Beendigung der Tätigkeit bei T-Nova zu einer wohnortnahen Organisationseinheit versetzt zu werden.

Die Deutsche Telekom AG sprach unter dem 29.04.2013 eine Änderungskündigung aus, sie bot dem Kläger an, das Arbeitsverhältnis im Betrieb Vivento im dortigen Bereich Vivento Business Services in Darmstadt fortzusetzen. Das Änderungsangebot wurde unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung angenommen. Gegen die Änderungskündigung wurde beim Arbeitsgericht Bonn Klage erhoben.

Die Klage war in allen drei Instanzen erfolgreich. Das Bundesarbeitsgericht wies die Nichtzulassungsbeschwerde der Deutschen Telekom AG ohne weitere Begründung zurück.

Sowohl das Arbeitsgericht Bonn als auch das Landesarbeitsgericht Köln waren der Auffassung, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt war.

Aufgrund des besonderen Kündigungsschutzes war der Prüfungsmaßstab verschärft, weil hierdurch ein Schutz des Arbeitnehmers gewährt werden soll, der über den gesetzlichen Anforderungen hinausgeht.

Es wurde festgesellt, dass keine dringenden betrieblichen Erfordernisse vorlagen, wonach die Beschäftigungsmöglichkeit zum Zeitpunkt der Kündigung voraussichtlich dauerhaft entfällt. Vorliegend konnte bereits das Merkmal der Dringlichkeit nicht durch die Deutsche Telekom AG begründet werden.

Außerdem war dem Kläger die Änderung des Arbeitsortes aufgrund der Entfernung nicht zumutbar. Insofern konnte durch die Deutsche Telekom AG nicht vorgetragen werden, welche anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten vor Ausspruch der Änderungskündigung konkret geprüft wurden.

Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung war auch die Zusicherung des wohnortnahen Einsatzes zu berücksichtigen.

Alles in allem war die ausgesprochene Änderungskündigung in mehrfacher Hinsicht unwirksam. Der Arbeitseinsatz in Darmstadt musste beendet werden.
Dateianhänge
LAG_Köln_6Sa822_13.pdf
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 17.04.2014, AZ.: 6 Sa 822/13
BAG_7AZN557_14.pdf
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 12.11.2014, AZ.: 7 AZN 557/14
AG_Bonn_6Ca1853_13.pdf
Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 24.09.2013, AZ.: 6 Ca 1853/13

Re: Gerichtsentscheidungen u. Hinweise AN allgemein

Bundesarbeitsgericht, 6 AZR 759/12

BAG: Abzug von monatlich 4 Std und 20 Minuten aus Arbeitszeitkonten der ehemaligen DT DB - Mitarbeiter war nicht rechtmäßig

Die Deutsche Telekom AG war nicht zur Herausbuchung von monatlich 4 Std und 20 Minuten Arbeitsstunden aus dem Arbeitszeitkonto der Klägerin berechtigt. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Wiedergutschrift, soweit diese nicht bereits aufgrund der Ausschlussfrist nach § 31 Abs. 1 MTV verfallen sind.

Bei einem Streit über die Führung eines Arbeitszeitkontos kann der Arbeitnehmer entweder die Erhöhung seines Zeitguthabens um eine bestimmte Stundenzahl oder eine Zeitgutschrift in bestimmter Höhe verlangen.
Dient die begehrte Zeitgutschrift der Rückgängigmachung der Streichung eines Zeitguthabens, ist keine Konkretisierung des Leistungsbegehrens dahingehend erforderlich, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll. Wird in einem solchen Fall dem Antrag auf Gutschrift stattgegeben, weiß der Arbeitgeber, was er zu tun hat, nämlich die von ihm auf einem bestimmten Arbeitszeitkonto vorgenommene Kürzung ungeschehen zu machen.
Geht es um die Korrektur der Arbeitszeiterfassung auf einem Arbeitszeitkonto, kommt dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos aus § 611 Abs. 1 BGB zu, wenn das Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch nach der zugrunde liegenden Abrede verbindlich bestimmt. Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestandes nicht erbringen musste. Es drückt damit – in anderer Form – seinen Vergütungsanspruch aus. Wegen dieser Dokumentationsfunktion darf der Arbeitgeber nicht ohne Befugnis korrigierend in ein Arbeitszeitkonto eingreifen und dort eingestellte Stunden streichen. Kürzt oder streicht der Arbeitgeber zu Unrecht ein Guthaben auf einem Arbeitszeitkonto, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf (Wieder-)Gutschrift der gestrichenen Stunden.
Dateianhänge
BAG_6_AZR_759_12.pdf
Bundesarbeitsgericht, 6 AZR 759/12

Re: Gerichtsentscheidungen u. Hinweise AN allgemein

Bundesarbeitsgericht, 2 AZN 1374/13

BAG: Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte muss neu verhandelt werden
Der Rechtsstreit geht jetzt weiter beim Landesarbeitsgericht Köln, Fortsetzung folgt.

Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) sagt aus: „(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.“ Eine Verletzung dieses Grundsatzes ist nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG), hier Beschluss AZ. 2 AZN 1374/13, gegeben, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei in der Begründung nicht eingeht, weil dies auf die Nichtberücksichtigung dessen schließen lässt. Im hier vorliegenden Fall hatte das Gericht in der Begründung sogar ausdrücklich so argumentiert, wie es nur bei Nichtbeachtung des Vortrags des Arbeitnehmers möglich war. Der Kläger hatte ein Attest vorgelegt, aus dem hervorging, dass er krankheitsbedingt sich nicht bereits am Morgen beim Arbeitgeber (Telekom) melden konnte. Das Gericht hatte in der Begründung geschrieben, dem Vorbringen des Arbeitnehmers sei nicht zu entnehmen gewesen, dass er zum rechtzeitigen Melden der Arbeitsunfähigkeit nicht in der Lage gewesen sei. Offensichtlich hat das Landesarbeitsgericht in einem Berichtigungsbeschluss nun das Vorlegen des Attestes erwähnt, aber dass es dieses in seine Überlegungen einbezogen habe, gehe daraus eben nicht hervor, so das BAG. Das BAG verweist diesen Teil des Urteils des LAG Köln zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück. Es ging in diesem Teil um die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte des Klägers.
Dateianhänge
BAG_2AZN1374_13.pdf
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 08.05.2014, AZ.: 2 AZN 1374/13

Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt

Arbeitsgericht Erfurt, 2 Ca 18/14

Arbeitsgericht Erfurt hebelt Änderungskündigung von DT DB zur Vivento aus

Mit Urteil vom 05.06.2014 mit Aktenzeichen 2 Ca 18/14 stellt das Arbeitsgericht Erfurt fest, dass eine Änderungskündigung vom 08. Juli 2013 sozial ungerechtfertigt sei. Das bedeutet, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen unwirksam sind. Aus der Gerichtsentscheidung geht sehr schön hervor, dass der streitgegenständliche Tarifvertrag TV-Ratio Telekom Deutschland GmbH (TDG) zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung noch nicht wirksam war, da zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle Unterschriften drauf waren (wenn am gleichen Tag, dann nicht nachweisbar). Deshalb gelte nicht die mit der Gewerkschaft ausdrücklich vereinbarte kürzere Kündigungsfrist, die im Änderungskündigungsschreiben erwähnt wurde, sondern die längere des MTV. Und die längere darf auch durch eine ordentliche Änderungskündigung nicht unterschritten werden. Deshalb ist die Änderungskündigung mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis geändert bereits vor Ende dieser Kündigungsfrist fortzusetzen, sozial ungerechtfertigt und dadurch unwirksam (S. 5).
Als sozial ungerechtfertigt nach § 1 Absatz 2 und § 2 Kündigungsschutzgesetz sieht das Gericht die Änderungskündigung – das der zweite, ganz kurz angesprochene Themenkreis – auch an, weil sich die Arbeitsbedingungen in der Beschäftigungs- und Qualifizierungseinheit Vivento verschlechterten, da die Beschäftigung nicht garantiert sei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, dürfte unserer Einschätzung nach jedoch einer Überprüfung durch das LAG und eventuell sogar BAG Stand halten, da es sich ja auf eine Entscheidung des BAG vom 21.09.2006 stützt.

Herr Rechtsanwalt Rudolf Hahn kommentiert:
Unwirksamkeit der Änderungskündigung Telekom-Direktvertrieb und Beratung
Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 05.06.2014, Az.: 2 Ca 18/14

Ebenso wie das Arbeitsgericht Gera hat nunmehr auch das Arbeitsgericht Erfurt festgestellt, dass die vom Betrieb Telekom-Direktvertrieb und Beratung ausgesprochene Änderungskündigung zur Beschäftigung in der Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit Vivento unwirksam war. Zuvor gab es eine umfangreiche Beweisaufnahme im Hinblick auf den streitgegenständlichen Tarifvertrag TV-Ratio Telekom Deutschland GmbH (TDG). Es stellte sich heraus, dass dieser Tarifvertrag, der eigentlich aus dem Jahre 2010 herrührte, zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung noch nicht wirksam war. Aufgrund dessen galt auch die in diesem Tarifvertrag vorgesehene, extrem auf 3 Wochen zum Monatsende abgekürzte Kündigungsfrist nicht. Da die Arbeitsbedingungen jedoch schon vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist (Anmerkung: Bei den meisten Arbeitnehmern aufgrund deren langen Betriebszugehörigkeit 7 bzw. 6 Monate) abgeändert wurden, führte dies zur Sozialwidrigkeit des Angebotes und damit zur Unwirksamkeit der Kündigung. Wie das Bundesarbeitsgericht bereits mehrfach entschieden hat, ist ein Arbeitnehmer nicht verpflichtet, auf einen Teil der ihm zustehenden Kündigungsfrist zu verzichten und vorzeitig in eine Vertragsänderung mit schlechteren Arbeitsbedingungen einzuwilligen (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21.09.2006, Az.: 2 AZR 120/06, Randnr. 23). Das BAG hat darüber hinaus ausgeführt, dass sämtliche Änderungen der bisherigen Arbeitsbedingungen für jeden einzelnen Punkt geprüft werden müssen. Genügt auch nur eine der beabsichtigten Änderungen den rechtlichen Anforderungen nicht, hat dies die Unwirksamkeit der gesamten Änderungskündigung zur Folge.

Vorliegend hätte die Kündigungsfrist nach § 25 des Manteltarifvertrages der Telekom Deutschland GmbH 7 Monate zum Ende des Kalendermonats betragen. Die Arbeitgeberin berief sich auf die verkürzte Kündigungsfrist von drei Wochen zum 15. oder zum Ende des Kalendermonats nach § 5 Abs. 3 TV-Ratio TDG. Dieser Tarifvertrag war jedoch zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung noch nicht wirksam, was sich im Zuge der Beweisaufnahme und des Parteivortrages ergab. Soweit der Tarifvertrag arbeitgeberseitig unterzeichnet worden war, lag er jedenfalls noch nicht unterschrieben bei der Gewerkschaft vor.

Eine Auslegung des Kündigungsschreibens, die Arbeitsbedingungen zum Ablauf der Kündigungsfrist von 7 Monaten zu ändern, war aufgrund des Wortlautes der Änderungskündigung nicht möglich. Auch kam eine Umdeutung der Änderungskündigung nicht in Betracht. Bereits aus diesem Grunde war daher die Änderungskündigung unwirksam. Ob noch andere Unwirksamkeitsgründe, wie z. B. die Bestimmtheit des Änderungsangebotes, also der geänderten Arbeitsbedingungen, vorlagen, konnte dahinstehen.

mitgeteilt von
Rudolf Hahn
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Dateianhänge
AG_Erfurt_2Ca18_14.pdf
Arbeitsgericht Erfurt, Urteil vom 05.06.2014, AZ.: 2 Ca 18/14

Pressemitteilung vorab

Bundesarbeitsgericht 9 AZR 678/12

Verhältnis Sonderurlaub - Erholungsurlaub
Urlaubsanspruch grundsätzlich unabdingbar


Pressemitteilung
Dateianhänge
BAG_Presse_9AZR678_12.pdf
Pressemitteilung Nr. 22/14 zu 9 AZR 678/12, 6.Mai 2014

Re: Gerichtsentscheidungen u. Hinweise AN allgemein

Information zum Betriebsübergang von VTS nach NSN-S reichten nicht aus
LAG Sachsen, 3 Sa 9/14

Sächsisches Landesarbeitsgericht, Chemnitz, vom 16.05.2014, Az.: 3 Sa 9/14

Das Gericht stellte fest, dass zwischen dem Mandanten und der Deutschen Telekom AG ein Arbeitsverhältnis (fort-) besteht. Der Werdegang des Arbeitnehmers war: ursprünglich von der Deutsche Telekom AG, zur VTS GmbH und dann zur Nokia Siemens Networks Services GmbH. Die VTS GmbH ging nie unter, sondern verschmolz im Jahre 2012 mit der Deutschen Telekom AG. Dieser Umstand führte dazu, dass für den Kläger vorliegend wieder eine „Rückkehr“ zur Deutschen Telekom AG möglich war. Das Landesarbeitsgericht Chemnitz kam zu dem Ergebnis, dass nicht ordnungsgemäß zum Betriebsübergang von der VTS GmbH zur Nokia Siemens Networks Services GmbH unterrichtet wurde. Ansatzpunkt ist die nicht ordnungsgemäße Unterrichtung über die wirtschaftlichen Folgen, also insbesondere der negative Kaufpreis sowie die Auftragsgarantie über 5 Jahre. Auch wurde nicht über die Sozialplanprivilegierung nach § 112 a Betriebsverfassungsgesetz unterrichtet, da es sich ja bei der Betriebserwerberin Nokia Siemens Networks um eine Neugründung handelte und in den ersten vier Jahren kein Sozialplan erstellt werden muss.
Eine Verwirkung des erklärten Widerspruchs kam vorliegend nicht in Betracht, da der Arbeitnehmer stets nur weitergearbeitet hat und nicht über sein Arbeitsverhältnis disponierte.
Die Revision wurde zugelassen. Wir gehen jedoch davon aus, dass das Urteil beim Bundesarbeitsgericht standhält, sofern die Deutsche Telekom AG in Revision gehen sollte.
Es handelt es sich vorliegend um eine bahnbrechende Entscheidung, da der Betriebsübergang von der VTS zur Nokia Siemens Networks bislang als ordnungsgemäß erfolgt galt und sich die Deutsche Telekom AG in Sicherheit wiegte. Sicherlich gibt es noch weitere Kolleginnen und Kollegen, die „nur“ weitergearbeitet haben, sodass auch zum jetzigen Zeitpunkt noch Widerspruch erhoben werden könnte und das Widerspruchsrecht sozusagen noch nicht verwirkt wäre. Letztendlich muss natürlich der Einzelfall geprüft werden.
Das Urteil ist sehr lesenswert und ausführlich.
Auch dieses Urteil war nur mit der Hilfe der proT-in möglich bzw. durch uns angestoßenen Recherche und Informationsbeschaffung der Kollegen untereinander (vgl. hierzu z.B. die Ausführungen im Urteil auf das „Memo vom 20.09.2007“).

Lasst uns weiterhin gemeinsam "anpacken und nicht einpacken"!

Unwirksamer Betriebsübergang von der VTS zur NSNS

Update:
Nunmehr rechtskräftiges Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 16.05.2014, Az.: 3 Sa 9/14, Az. des BAG 8 AZR 431/14

Wie bereits berichtet stellte das Sächsische Landesarbeitsgericht fest, dass der damalige Betriebsübergang von der VTS (Vivento Technical Services GmbH) zur NSNS (Nokia Siemens Networks Services Deutschland GmbH) damals am 01.01.2008 unwirksam war. Dies aufgrund fehlerhafter Unterrichtung zu der wirtschaftlichen Situation und den wirtschaftlichen Folgen.

Die Deutsche Telekom AG hatte hiergegen Revision eingelegt. Kurz vor der Verhandlung beim Bundesarbeitsgericht wurde die Revision jedoch wieder zurückgenommen.

Damit wurde das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts rechtskräftig. Das Arbeitsverhältnis des betroffenen Arbeitnehmers besteht damit zur Deutschen Telekom AG zu den ursprünglichen Konditionen fort.

Ganz offensichtlich wollte die Deutsche Telekom AG die Sache beim Bundesarbeitsgericht nicht näher erörtern. Dies betraf auch die Problematik, ob der damalige Dreiseitige Vertrag zwischen den Arbeitnehmern, der Deutschen Telekom AG und der VTS formwirksam war.

Sofern der jeweilige Arbeitnehmer nicht über das Arbeitsverhältnis disponiert und nur weitergearbeitet hat, könnte er auch heute noch dem Betriebsübergang widersprechen.

mitgeteilt von
Rudolf Hahn
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Johannesstraße 3, 99084 Erfurt
Dateianhänge
LAG_Sachsen_3Sa9_14.pdf
Sächsisches Landesarbeitsgericht, Chemnitz 16.05.2014, Az.: 3 Sa 9/14

Erstinstanzlicher Erfolg gegen Änderungskündigung bei DT DB

Arbeitsgericht Gera, 7 Ca 763/13

Telekom Direktvertrieb und Beratung: Änderungskündigung unwirksam
Nicht rechtskräftiges Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 05.03.2014, Az.: 7 Ca 763/13

mitgeteilt und kommentiert von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Rudolf Hahn, Erfurt
Der Telekom Direktvertrieb und Beratung wurde geschlossen. Den Beschäftigten wurden Änderungskündigungen aus betriebsbedingten Gründen sowie Versetzungen zu verschiedenen Standorten der VCS GmbHs ausgesprochen. Dies war auch vorliegend der Fall, nach erfolgter Änderungskündigung wurde eine Versetzung zur VCS GmbH nach Nürnberg erteilt.
Die gegen die Änderungskündigung und die Versetzung erhobene Klage hatte nunmehr beim Arbeitsgericht Gera Erfolg. Es wurde zwar Berufung eingelegt, die Argumentation des Arbeitsgerichts Gera ist aber nachvollziehbar, möglichweise kann der eine oder andere Betroffene Nutzen hieraus ziehen.
Die Richter führen zunächst aus, dass bereits das Änderungsangebot unzureichend bestimmt ist. Für den Arbeitnehmer ist nicht erkennbar, welche konkreten Einzelbedingungen durch die Kündigung geändert werden sollen. Insofern genügte nicht der bloße Hinweis auf die tarifvertraglichen Regelungen.
Angemerkt durch den Unterzeichner sei, dass hinzukommt, dass noch in Frage steht, wann der maßgebliche TV Ratio der Telekom Deutschland GmbH überhaupt wirksam vorlag und der einzelne Arbeitnehmer hiervon überhaupt wirksam Kenntnis erlangen konnte.
Das Arbeitsgericht Gera führt weiter aus, dass es jedenfalls auch an der Verhältnismäßigkeit fehlen würde. Die einzelnen vertraglichen Änderungen müssten entsprechend begründet werden. Auch hier reicht der bloße Hinweis auf das nunmehr geltende Tarifwerk nicht aus.
Auch fehle es an einer ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung. Hierfür reiche nicht ein Musterschreiben. Zudem werden im Anhörungsschreiben die konkret beabsichtigten Änderungen nicht aufgeführt. Die zum Musterschreiben beigefügte Excel-Tabelle mit den beigefügten Daten sei nicht nachvollziehbar und unvollständig in Bezug auf die Unterhaltsverpflichtungen.
Dateianhänge
AG_Gera_7Ca763_13.pdf
Arbeitsgericht Gera, Urteil vom 05.03.2014, AZ.: 7 Ca 763/13

Arbeitsverhältnis zur DTAG besteht fort

Arbeitsgericht Bonn, 2 Ca 1621/13

Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 26.02.2014

Stichwort Dreiseitiger Vertrag mit Ergänzungen
Urteil Arbeitsgericht Bonn vom 26.02.2014, Az: 2 Ca 1621/13 (noch nicht rechtskräftig)
Werdegang des Telekommitarbeiters: DTAG – Vivento – VTS – NSN S – DTAG
Es konnte erreicht werden, dass das Arbeitsverhältnis zur Deutschen Telekom AG fortbesteht. Dabei war es so, dass der Kollege den Dreiseitigen Vertrag zwar unterschrieben hatte, allerdings mit einem handschriftlichen Vorbehalt, dass sein besonderer Kündigungsschutz und seine Besitzstandswahrung aus dem Vertrag mit der Deutschen Telekom AG gewährleistet bleibt.
Dieser Vorbehalt, der von der Deutschen Telekom AG und der VTS nicht angenommen wurde, war letztlich ausschlaggebend für das Arbeitsgericht Bonn, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch einen wirksamen Aufhebungsvertrag beendet wurde.
Vermutlich haben auf unsere Empfehlung hin in den Jahre 2004 und folgende noch andere Arbeitskolleginnen und -Kollegen bei der Deutschen Telekom AG, einen derartigen, oder ähnlich formulierten Vorbehalt in ihren Vertrag aufgenommen und sind bislang noch nicht zur Deutschen Telekom AG zurückgekehrt bzw. haben das Arbeitsverhältnis noch nicht wieder aufgenommen.

Dazu ein Kommentar von Rechtsanwalt Rudolf Hahn, Erfurt:
Dreiseitiger Vertrag mit Ergänzungen
Arbeitnehmer bleibt Telekom-Mitarbeiter
Kommentar zum (nicht rechtskräftigen) Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 26.02.2014, Az.: 2 Ca 1621/13
von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Rudolf Hahn, Erfurt


Das Arbeitsgericht Bonn hat in dem erstrittenen Urteil entschieden, dass das Arbeitsverhältnis zur Deutschen Telekom AG nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Nokia Siemens Network Services GmbH & Co. KG (NSNS) weiter besteht. Es wurde durch den damaligen Dreiseitigen Vertrag aus dem Jahre 2005 nicht beendet.
Maßgebend hierbei war, dass der Arbeitnehmer in dem vorgelegten Dreiseitigen Vertrag von sich aus einen Passus mit aufnahm, wonach sein besonderer Kündigungsschutz und die Besitzstandswahrung aus dem Vertrag mit der DT AG auf Dauer gewährleistet sei.
Mit dieser Ergänzung unterschrieb der Arbeitnehmer den Dreiseitigen Vertrag und schickte ihn wieder zur Telekom zurück. Anschließend wurde er unverändert zur Personalakte genommen.

Mit dieser Vorgehensweise war kein wirksamer Aufhebungsvertrag zu Stande gekommen. Dieser abgeänderte, ergänzte Vertrag war ein neues Vertragsangebot, was durch die Telekom nicht angenommen wurde. Dies hätte auch schriftlich erfolgen müssen, eine schlüssige Annahme oder Aufhebung des Arbeitsverhältnisses war nicht möglich aufgrund der zwingend notwendigen Schriftform.

Dieser Dreiseitige Vertrag zwischen der Deutschen Telekom AG, der VTS GmbH und dem Arbeitnehmer wurde damals in den Jahren 2005 und 2006 mehrfach abgeschlossen. Soweit vom Arbeitnehmer ein derartiger Vorbehalt bzw. eine Ergänzung des Dreiseitigen Vertrages gemacht wurde, kann es durchaus sein, dass auch weiterhin ein Arbeitsverhältnis zur Deutschen Telekom AG besteht. Sicherlich bedarf dies stets einer Einzelfallprüfung.

Derzeit wird darüber hinaus geprüft, ob der Dreiseitige Vertrag, insbesondere der Aufhebungsvertrag überhaupt wirksam zu Stande kam.


mitgeteilt und kommentiert von
Rudolf Hahn
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht
Update: Das Arbeitsgericht Gera hat am 08.05.2014 in einen ähnlich gelagerten Fall eines ehemaligen NSN-Arbeitnehmers, der ebenfalls so einen Dreiseitigen Vertrag mit ähnlichen handschriftlichen Anmerkungen unterschrieben hat ebenfalls entschieden, dass das ursprüngliche Arbeitsverhältnis zur DTAG wieder auflebt. Auch in diesem Fall bleibt abzuwarten, ob die Telekom in Berufung geht und ob das Urteil standhält.
Dateianhänge
AG_Bonn_2Ca1621_13.pdf
Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 26.02.2014, AZ.: 2 Ca 1621/13

Landesarbeitsgerichtes Baden-Württemberg, 11.09.13, 13 Sa 31

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, 13 Sa 31/13

Wiederaufleben des Beschäftigungsanspruches bei einem inaktiven Arbeitsverhältnis
Besprechung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Baden-Württemberg vom 11.09.2013, Az.: 13 Sa 31/13

1. Zum Sachverhalt
Der Arbeitnehmer hatte bei der Deutschen Telekom AG bzw. deren Rechtsvorgängern in den 70er Jahren einen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Es kam der Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV-Ratio) aus dem Jahre 2002 zur Anwendung. Aufgrund der Rationalisierungsmaßnahmen der Telekom kam der Arbeitnehmer zunächst in eine Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit, anschließend wurde er in eine Tochtergesellschaft, die VTS GmbH vermittelt. Dort unterschrieb er auch einen Arbeitsvertrag mit verschiedenen Vorbehalten. Einen Dreiseitigen Vertrag mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zur Deutschen Telekom AG unterschrieb er jedoch nicht. Anschließend ging das Arbeitsverhältnis von der VTS GmbH zur Nokia Siemens Networks Services GmbH (NSNS) über. Etliche Jahre später, im August 2012, schloss er mit der Firma NSNS einen Aufhebungsvertrag unter Vereinbarung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes.

Anschließend machte der Arbeitnehmer bei der Deutschen Telekom AG sein Beschäftigungsverlangen geltend mit der Begründung, dass er nach wie vor zur Deutschen Telekom AG ein Arbeitsverhältnis habe und das vorherige Arbeitsverhältnis mit der NSNS bzw. vorher VTS beendet wurde.

Der Arbeitnehmer bekam schließlich beim Landesarbeitsgericht Recht.

2. Begründung
Zunächst hatte die Vorinstanz, das Arbeitsgericht Mannheim festgestellt, dass ein Arbeitsverhältnis zur Deutschen Telekom AG auch weiterhin bestehe, weil keine schriftliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses vorlag. Der vorgelegte Dreiseitige Vertrag wurde von dem Arbeitnehmer nicht unterschrieben. Eine anderweitige Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zur Deutschen Telekom AG kam nicht in Betracht, insbesondere war es unbeachtlich, dass der Arbeitnehmer mit dem neuen Arbeitgeber VTS GmbH einen Arbeitsvertrag unterschrieb. Diese Feststellungen wurden von der Deutschen Telekom AG nicht weiter angegriffen, sodass dieser Teil der Entscheidung des Arbeitsgerichts Mannheim rechtskräftig wurde.

Das Landesarbeitsgericht entschied im Weiteren, dass dem Arbeitnehmer auch ein tatsächlicher Beschäftigungsanspruch zustehe. Es lag kein Fall eines gesetzlichen Ruhens des Arbeitsverhältnisses, wie z. B. während der Elternzeit vor. Eine stillschweigende Ruhensvereinbarung war nicht abgeschlossen worden, dies scheitert bereits daran, dass die Arbeitgeberin, also die Deutsche Telekom AG, von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausging. Wenn sie jedoch von einer wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausging, bedurfte es keiner Vereinbarung mehr über das Ruhen der Hauptpflichten im Arbeitsverhältnis.

Dem Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung steht auch nicht das zwischenzeitlich neue Arbeitsverhältnis mit der VTS bzw. im Wege des Betriebsüberganges mit der NSNS entgegen, welches gegen Zahlung einer Abfindung einvernehmlich beendet wurde. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht der Arbeitnehmer wieder zur Arbeitsleistung zur Verfügung. Die Arbeitgeberin kann den Arbeitnehmer auch tatsächlich einsetzen. Auch die Vereinbarung einer hohen Abfindung (unter Berücksichtigung seiner Betriebszugehörigkeit bei der Deutschen Telekom AG) stand dem Beschäftigungsverlangen nicht entgegen. Es handelt sich bei der Abfindung um eine Leistung der Firma NSNS an den Arbeitnehmer, welche die Deutsche Telekom AG nicht betrifft. Soweit diese Firma NSNS eine Abfindungszahlung leistet, hat dies nichts mit einem Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers gegenüber der Deutschen Telekom AG zu tun. Die Vereinbarung einer Abfindung, egal in welcher Höhe, „mit Glück oder Geschick“ ausgehandelt, kann sich die Deutsche Telekom AG als frühere und aktuelle Arbeitgeberin nicht zurechnen lassen bzw. auch nicht argumentativ dahingehend verwenden, dass damit ein Beschäftigungsverlangen ihr gegenüber treuwidrig wäre.

Selbstredend kann der Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung nur für die Zukunft geltend gemacht werden, da die Arbeitsleistung für die Vergangenheit nicht mehr nachholbar ist.

mitgeteilt von
Rudolf Hahn
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Dateianhänge
LAG_BW_13Sa31_13.pdf
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 11.09.2013, Az.: 13 Sa 31/13

Anspruch auf Funktionszulage auch ohne Anspruch

Bundesarbeitsgericht, 6 AZR 836/11
Sicherung der tariflichen Funktionszulage bei interner Versetzung
Bundesarbeitsgericht vom 16.05.2013, Az.: 6 AZR 836/11

Der Anspruch auf die tarifliche Funktionszulage bleibt auch bei einer internen Versetzung bei der DT TS GmbH (Deutsche Telekom Technischer Service GmbH) für die tariflich vorgesehene Übergangszeit von bis zu 28 Monaten erhalten, auch wenn der Arbeitnehmer auf dem neuen Arbeitsplatz keinen Anspruch auf die Funktionszulage mehr hat. Dies entschied nunmehr das Bundearbeitsgericht in der vorbezeichneten Entscheidung (nachzulesen auf der Homepage des Bundearbeitsgerichtes, http://www.bundesarbeitsgericht.de).

I. Zum Sachverhalt

Der Kläger war seit 1988 bei der DTTS bzw. den Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Es gelten die Tarifverträge der DTTS GmbH. Der Kläger war bis Juli 2009 im Außendienst als Kundendiensttechniker tätig. Es stand ihm eine tarifliche Funktionszulage in Höhe von monatlich 103,53 € brutto zu.

Aufgrund einer Neuorganisation der Niederlassung wurde der Kläger zum 01.08.2009 auf einen Arbeitsplatz als Sachbearbeiter Quality - Gate versetzt. Die Eingruppierung änderte sich nicht. Allerdings hatte der Kläger auf diesem Arbeitsplatz keinen Anspruch mehr auf die Funktionszulage. Diese wurde ihm dann gestrichen.

Der Kläger hatte diese nunmehr gleichwohl geltend gemacht.

II. Entscheidung

Letztinstanzlich hat das Bundesarbeitsgericht dem Kläger schließlich Recht gegeben. Nach der tariflichen Protokollnotiz zu § 1 und § 2 der Anlage 5 zum TV Ration DT TS besteht ein Anspruch auf Sicherung der Funktionszulage. Es kommt nicht darauf an, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Funktionszulage erfüllt sind. Vielmehr kommt es einzig und allein darauf an, dass der Arbeitnehmer in den letzten 15 Monaten vor Übertragung der anderen Tätigkeit überwiegend eine und auch noch innerhalb der letzten drei Monate eine Funktionszulage erhalten hat. Es kommt auch nicht darauf an, dass die neue Tätigkeit einer niedrigeren Entgeltgruppe zugeordnet sein muss.

III. Anmerkung

Auch diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes zeigt abermals, dass man nicht jegliche Streichung durch die Arbeitgeberin hinnehmen sollte. Ein Blick in die einschlägigen Tarifverträge kann manchmal „Geld“ wert sein.

mitgeteilt von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Rudolf Hahn, Erfurt
Dateianhänge
BAG_6AZR836_11.pdf
Bundesarbeitsgericht Urteil vom 16.05.2013, AZ.: 6 AZR 836/11

Angebot weit weg sozial ungerechtfertigt

Arbeitsgericht Berlin, 37 Ca 7788/12

Änderungsangebot nicht verhältnismäßig

Der Betriebsrat hatte der Änderungskündigung widersprochen. Das Gericht: Die Änderungskündigung (zu VBS hin) ist nicht sozial gerechtfertigt im Sinne der §§ 1, 2 KSchG. Das mit der Änderungskündigung ausgesprochene Arbeitsplatzangebot entsprach nicht der Billigkeit. Es gab eine besser geeignete (deutlich nähere) Arbeitsmöglichkeit, auch wenn die entsprechende Stelle offiziell erst später ausgeschrieben wurde. Das Gericht spricht von einer „Verpflichtung der Beklagten, den Kläger möglichst in einer wohnortnahen Organisationseinheit zu beschäftigen“ (S. 5). „Die Umstände für das mögliche Freiwerden einer T5-Stelle, nämlich das Nichtbesetzen-Können der bisherigen T6-Stelle, lagen bei Ausspruch der hiesigen Kündigung schon vor.“ (S. 6). Berufung ist möglich.
Dateianhänge
AG_Berlin_37Ca7788_12.pdf
Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 19.06.2013, AZ.: 37 Ca 7788/12

Revision nicht zugelassen

Bundesarbeitsgericht, 8 AZN 402/13

Bundesarbeitsgericht lehnt Nichtzulassungsbeschwerde ab
Zweitinstanz siehe oben

Das Sächsische Landesarbeitsgericht hatte (am 28.02.2013, AZ: 6 Sa 582/12, siehe Kommentar von RA Hahn) die Revision nicht zugelassen, das Bundesarbeitsgericht nun auch nicht. Es sah weder eine Divergenz (Abweichung von einer Entscheidung des BAG) noch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten (Telekom) durch das LAG gegeben. Gegenüber der Telekom überschreitet das BAG erkennbar die Grenzen der Sachlichkeit, es bringt seinen Unmut über deren Vorbringen zum Ausdruck.
Dateianhänge
BAG_AZN402_13.pdf
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.08.2013, AZ.: 8 AZN 402/13

Zurück zu „proT-in Datenbank Gerichtsentscheidungen“